Durch die Strafverfahren gegen Großunternehmen (Siemens, Mannesmann, Enron, Worldcom u.a.) bzw. deren Mitarbeiter ist die Frage, wie eine gerichtsfeste Unternehmensführung ausgestaltet sein muss, in den Blick der Verantwortlichen, aber auch der Öffentlichkeit gerückt. Gerichte und Gesetzgebung haben in den letzten Jahren die Anforderungen an Unternehmen immer weiter erhöht. Dies hatte zur Folge, dass viele Unternehmen Vorsorgemaßnahmen getroffen haben, um sich und ihre Mitarbeiter abzusichern. Zusammengefasst werden diese Maßnahmen durch Begriffe wie "Cods of Conduct", "Corporate Governance" oder eben "Compliance".
Der hier vorgestellte Begriff der "Criminal Compliance" beschreibt alle Maßnahmen zur Vermeidung unternehmensbezogener Straftaten durch Angestellte. Fragen, die Unternehmen in diesem Bereich beantwortet haben möchten, lauten beispielsweise:
- Wann beginnt Bestechung bzw. Bestechlichkeit?
- In welchen Fällen ist Sponsoring strafbar?
- Darf man "schwarze Kassen" haben?
- Ab wann macht man sich wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt strafbar?
- Wie kann ich dafür sorgen, dass Lenk- und Ruhezeiten eingehalten werden?
- Wie kann ich als Inhaber meiner Überwachungspflicht nach § 130 OWiG gerecht werden?
- Was passiert, wenn Einfuhrlisten nicht beachtet werden?
Es zeigt sich bereits an diesen Fragen, dass unterschiedliche Branchen auch unterschiedlichen Compliance-Anforderungen unterworfen sind. So dürften Fragen des Außenwirtschaftsgesetzes eher für ein Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes als für einen Dienstleister relevant sein. Bestehen Geschäftsbeziehungen ins Ausland, können außerdem die dortigen Regelungen (z.B. der "Foreign Corrupt Practices Act" der USA oder der "UK Bribery Act" in Großbritannien) unmittelbar verpflichtend für die deutschen Geschäftspartner sein.
Warum sollte ein Unternehmen in Compliance investieren?
Für einen Unternehmer stellt sich die Frage, ob es nicht kostengünstiger ist, erst dann Maßnahmen zu ergreifen, wenn es zu einem Straf- oder Bußgeldverfahren gekommen ist. Diese Überlegung ist selbst dann nicht zutreffend, wenn man in dem Effekt der Criminal Compliance lediglich die Vermeidung von Strafverfahren sieht. Denn bei Verstößen kann ein Bußgeld von bis zu 1 Million Euro verhängt werden. Da die Geldbuße den Gewinn des Täters bzw. das ihm aus der Tat zugeflossene Entgelt übersteigen soll, kann die Geldbuße im Einzelfall auch mehrere Millionen Euro betragen.
Außerdem können Freiheitsstrafen verhängt werden; im Falle einer Vollstreckung gegen den Unternehmer hätte dies existenzvernichtende Konsequenzen. Weiterhin drohen Eintragungen in das Gewerbezentralregister oder das Korruptionsregister. Als äußerste Maßnahme kann schließlich die Betriebsschließung angeordnet werden.
Bereits die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens kann dem Ansehen eines Unternehmens schaden. Werden die Geschäftsräume durchsucht und beispielsweise Unternehmensdaten beschlagnahmt, so kommt dies einer teilweisen Stilllegung des Betriebs gleich.
Bei dieser Betrachtung werden im Übrigen die weiteren Vorteile eines wirksamen Compliance-Systems übersehen. So verlangen Kunden immer häufiger von ihren Lieferanten den Nachweis eines Compliance Systems. Außerdem trägt die Installation von Compliance-Maßnahmen dazu bei, das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit zu verbessern. Schließlich kann durch ein effizientes Compliance-System dafür gesorgt werden, dass der Unternehmer nicht für alles, was in seinem Unternehmen passiert, haftbar gemacht werden kann.
Wie kann "Criminal Compliance" erreicht werden?
Die Installation eines Systems der Criminal Compliance beginnt mit der Analyse des Ist-Zustands. Die strafrechts-sensiblen Bereiche des Unternehmens werden identifiziert. Je nach Branche und Organisation bieten sich beispielsweise folgende Maßnahmen an:
- Schulungen der Mitarbeiter, die in dem strafrechts-sensiblen Bereich beschäftigt sind, um die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter zu erhöhen und gleichzeitig Verantwortung an die Mitarbeiter zu übergeben.
- schriftliche Dokumentation aller Maßnahmen zur Auswahl, Anleitung und Überwachung der Mitarbeiter. Die Überwachung kann beispielweise durch regelmäßige Berichte des Mitarbeiters an den Unternehmer erfolgen. Auf diese Weise tut der Unternehmer seiner in § 130 OWiG festgelegten Aufsichtspflicht genüge.
- Einsetzung eines externen oder internen Compliance-Beauftragten.
- Einrichtung von Hinweisgebersystemen (Whistleblowing). Hiermit sind Stellen gemeint, an die die Mitarbeiter sich wenden können, wenn Sie von Verstößen gegen Straf- oder Bußgeldvorschriften in ihrem Unternehmen Kenntnis erlangt haben.